Digitalisierung als Mittel zum Zweck

Fast täglich kommen schlechte Nachrichten aus der Automobilindustrie. Die Absätze der Hersteller brechen ein, Zulieferer geraten ins Straucheln. Jan Stoces, Chief Growth Officer beim Digitalisierungsspezialisten Aimtec, und Professor Dr. Nils Finger, Professor für Supply Chain Management an der CBS International Business School, geben ihre Einschätzung zur Digitalisierung der Zulieferindustrie in der aktuellen Lage.

Pilsen, 28.01.2025 /

Wie weit spielen Probleme in Lieferketten in diese Gemengelage hinein?

Nils Finger: Lieferkettenprobleme sind ein entscheidender Faktor der aktuellen Krise. Bereits auf der Beschaffungsseite gibt es Herausforderungen wie Halbleiterengpässe. Der Engpass verstärkt sich mit der Ausbreitung der Elektromobilität, da Elektrofahrzeuge mehr Chips benötigen als herkömmliche Verbrenner. Dazu kommen steigende Rohstoffpreise, insbesondere für Batteriematerialien wie Lithium, Kobalt und Nickel, deren Preise explodieren.
Auch geopolitische Spannungen wirken sich negativ aus wie die zollorientierte Wirtschaftspolitik der USA unter Trump oder das Damoklesschwert Taiwan. Hinzu kommen Anforderungen im Bereich Nachhaltigkeit, die langfristig Transparenz schaffen, kurzfristig jedoch enorme Kosten verursachen.

Jan Stoces: Ein großes Problem ist auch die fehlende Planungssicherheit. Zulieferer erhalten Abrufe von OEMs, die wenig Verlässlichkeit bieten. Die Last der Planung liegt somit bei den Lieferanten. Die Unsicherheit ist enorm. Das wirkt sich negativ auf Investitionen und Produktionskapazitäten aus.

Rutschen Digitalisierungsprojekte in der Logistik der Zulieferer angesichts dieser Probleme in der Prioritätenliste nach hinten?
Jan Stoces: Digitalisierungsprojekte werden selten komplett gestrichen, aber wir sehen, dass viele entweder verschoben oder in kleinere Einheiten unterteilt werden, um Kosten und Risiken zu minimieren. Unternehmen setzen stärker auf Projekte mit kurzen Umsetzungszeiten und einem klar definierten ROI.
Viele Unternehmen kämpfen derzeit mit steigenden Energie- und Materialkosten, was die Planbarkeit erschwert. Gleichzeitig stehen sie unter Druck, die SAP-Transformation zu S/4HANA umzusetzen. Das bindet Ressourcen und erschwert es, neue Digitalisierungsprojekte zu starten.
Nils Finger: Digitalisierung ist ein langfristiger Erfolgsfaktor. Digitalisierte Prozesse steigern Effizienz, senken Kosten und verbessern die Nachhaltigkeit. Unternehmen, die jetzt in Digitalisierung investieren, sind langfristig besser aufgestellt.

Sind in Anbetracht der Lage digitalisierte Prozesse und ein hoher Automatisierungsgrad in Logistik und Produktion ein wichtiger Baustein für die Zukunftsfähigkeit von Zulieferern oder eher ein Tropfen auf den heißen Stein?
Nils Finger: Hier muss man unterscheiden. Betrachtet man ein kleines, isoliertes Projekt, dann ist das neben einem großen Thema wie SAP eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Handelt es sich hingegen um einen Teil einer strategischen Neuausrichtung mit einer zugrundeliegenden Strategie, die aktuelle Herausforderungen oder zukünftige Trends adressiert, dann liegt darin meines Erachtens eine große Chance. Digitalisierung ist kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Hebel, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Automatisierte Prozesse reduzieren Fehler, Betriebskosten und manuelle Tätigkeiten. OEMs fordern zunehmend nachhaltige und digitale Lösungen von ihren Zulieferern. Eine transparente, soziale und ökologische Lieferkette zu etablieren, ist zunächst teuer und braucht Zeit, zahlt sich aber in Zukunft aus.
Jan Stoces: Das Thema Nachhaltigkeit ist eng mit Digitalisierung verknüpft. Es gibt viele Ansätze, um ressourcenschonender zu arbeiten. Aber diese Maßnahmen müssen finanzierbar sein. Gerade kleine Zulieferer haben oft nicht die nötigen Mittel, um umfassende Digitalisierungsmaßnahmen umzusetzen.

Wie gehen Zulieferer mit der angespannten Situation um? Gibt es einen roten Faden?
Nils Finger: Wir sehen im Moment viele Tendenzen aber noch keinen einheitlichen roten Faden. Viele Unternehmen versuchen, durch Diversifizierung Risiken zu minimieren. Sie suchen nach neuen Märkten und Produkten, um Abhängigkeiten von einzelnen Kunden zu reduzieren. Auch Partnerschaften und Kollaborationen gewinnen an Bedeutung. Nachhaltigkeitsbestrebungen werden durch diese Situation leider oft auf das Minimum reduziert, und Unternehmen setzen verstärkt auf Kosteneffizienz.
Jan Stoces: Hier gibt es auch Unterschiede in der Unternehmensgröße. Besonders kleinere Zulieferer sind stark belastet und versuchen, kurzfristig Brände zu löschen. Das bindet Ressourcen, die für strategische Maßnahmen fehlen. Insgesamt ist die Branche aber sehr heterogen.

Welche Chancen hat die deutsche Automobilindustrie wieder in die Spur zu kommen? Was muss passieren, damit die Hersteller wieder mehr Fahrzeuge verkaufen?
Nils Finger: Die politischen Rahmenbedingungen müssen verbessert werden. Dazu gehören eine bessere Planbarkeit, stabile Energiepreise, verlässliche Förderprogramme und der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Ohne diese Maßnahmen wird es schwierig, das Vertrauen der Endkunden zurückzugewinnen.
Jan Stoces: Die Probleme sind in der gesamten EU ähnlich. Die Unsicherheit auf den Märkten betrifft alle Zulieferer. Es braucht deshalb klare und langfristige Perspektiven der Politik. Unternehmen müssen wissen, worauf sie sich einstellen können.

Was macht der Industrie aktuell Hoffnung?
Nils Finger: Technologische Fortschritte in den Bereichen Batterietechnologien, Förderprogramme in verschiedenen Märkten, autonomes und vernetztes Fahren bieten Perspektiven. Zudem sehen wir eine Stabilisierung der Märkte und sinkende Inflationsraten. Der Luxusmarkt bleibt konstant und bietet Chancen, zumindest für einen Teil der deutschen Hersteller.
Jan Stoces: Jede Krise birgt auch Chancen. Der asiatische Markt bietet beispielsweise noch Raum für Wachstum. Die Frage ist nur, welchen Anteil davon sich deutsche Unternehmen sichern können. Was Services im Fahrzeug angeht, haben wir in Europa noch großen Spielraum. Unternehmen, die jetzt mutig sind und auf Innovation und neue Geschäftsmodelle setzen, können gestärkt aus der aktuellen Situation hervorgehen.

Inwieweit können neue Technologien wie KI der Industrie helfen? Was für Potenziale bieten KI-Anwendungen der Industrie, in der Supply Chain?

Nils Finger: Besonders in der Lieferkette kann KI Prognosen verbessern, Engpässe frühzeitig erkennen und Prozesse automatisieren. Predictive Maintenance ist ein weiteres gutes Beispiel.
Jan Stoces: Machine Learning wird in vielen Unternehmen bereits seit Jahren eingesetzt, um Daten besser zu nutzen, und bringt einen sichtbaren Mehrwert. Generative KI-Anwendungen entfalten ihre Vorteile besonders im Sales und Marketing. In der Produktion fehlen oft noch die strukturierten Daten und das Know-how, um Generative-KI-Projekte erfolgreich umzusetzen. Bis wir hier wirklich nutzbare Ergebnisse sehen, wird es noch ein paar Jahre dauern.

Wie wird die deutsche Automobilindustrie in 15 Jahren aussehen?
Jan Stoces: Sie wird da sein (lacht). Sehr viel mehr können wir nicht mit Sicherheit sagen.
Nils Finger: Ein Szenario ist der Rückgang der Massenproduktion, besonders im Niedrigpreissegment. Der Luxusmarkt bietet weiterhin große Chancen und Elektromobilität wird sich stärker etablieren. Verbrenner werden uns mittelfristig aber weiterhin begleiten und sei es nur, um die Mobilitätswende zu finanzieren. Die Digitalisierung wird in 15 Jahren viel weiter fortgeschritten sein, dementsprechend können sich Unternehmen auch besser an neue Marktsituationen anpassen. Diese Anpassungsfähigkeit wird auch in Zukunft erfolgsentscheidend bleiben.

Jan Stoces, Chief Growth Officer bei Aimtec
Jan fördert das Unternehmenswachstum von Aimtec durch das Identifizieren und Ausschöpfen neuer Chancen und koordiniert Aktivitäten zwischen verschiedenen Teams. Er konzentriert sich hauptsächlich auf den strategisch wichtigen deutschen Markt.

Professor Dr. Nils Finger ist ein renommierter Logistikexperte mit umfangreicher Erfahrung in Praxis und Wissenschaft. Nach einer Ausbildung und einem anschließenden dualen Studium arbeitete Nils Finger in verschiedenen Logistikunternehmen wie DB Schenker und dem BVL, wo er Erfahrungen mit Logistikprozessen und der Bedeutung eines effektiven Supply Chain Managements sammelte. Seit 2018 gibt er sein Wissen und seine Erfahrung als Professor für Supply Chain Management an der CBS International Business School in Köln weiter.

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Über Aimtec

Aimtec ist ein Digitalisierungspartner für Logistik und Produktion mit Schwerpunkt auf der Automobilindustrie. Das 1996 gegründete Unternehmen mit Hauptsitz in Pilsen, Tschechische Republik, beschäftigt über 250 Mitarbeiter:innen und begleitet die weltweite Fertigungs- und Logistikbranche bei der digitalen Transformation. Dabei setzt Aimtec zum einen auf die Integration und Automatisierung von Prozessen − durch intuitive und einfach konfigurierbare Softwarelösungen etwa für MOM, MES, WMS, OMS, MMS, JIS/JIT, ERP & SAP sowie EDI & SAP. Zum anderen verfolgt Aimtec einen speziellen Beratungsansatz: Dieser zielt darauf ab, Unternehmen zur digitalen Transformation zu befähigen – durch das Teilen von Branchen-Know-how sowie durch Schulungen, Dokumentationen und Support. Dank seiner Software- und Branchenberatungskompetenz konnte Aimtec mehr als 5.800 Digitalisierungsprojekte weltweit erfolgreich umsetzen und erwirtschaftete 2023 einen Umsatz von 20 Millionen Euro. Zu den Kunden gehören unter anderem Alfmeier, Continental, RKT, Denso, IAC Group, Fehrer, Magna und viele weitere. All das fügt sich in der jährlichen Konferenz „Trends in Automotive Logistics – TAL“ zusammmen, die von Aimtec veranstaltet wird und sich zu einem führenden Branchentreff entwickelt hat.
www.aimtecglobal.com

Aimtec auf:

Pressekontakt Aimtec

AIMTEC a. s.
Eva Králová
Marketing Project Manager
eva.kralova@aimtecglobal.com
+420 774 554 521

Kontakt PR-Agentur

Schwartz Public Relations GmbH
Sendlinger Straße 42A
D-80331 München

Team Aimtec
E-Mail: aimtec@schwartzpr.de

Sebastian Weinstock
Tel.: +49 (0) 89 211 871 72
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Marita Bäumer
Tel.: +49 40 76974462
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