Es sind die vermeintlich kleinen Ereignisse, deren Schockwellen sich auf den gesamten Welthandel auswirken können. Dafür braucht es nicht einmal eine Pandemie. Ein Schiff, das den Suezkanal blockiert, genügt schon, um globale Auswirkungen zu entfachen. Auch ein blockierter Hafen, wie nach dem tragischen Brückeneinsturz von Baltimore, beeinträchtigt Warenströme weit über Nordamerika hinaus.
Da mutet es fast schon hilflos an, wenn wir über resiliente Supply Chains sprechen. Eine resiliente Lieferkette ist noch lange keine störungsfreie Lieferkette. Unterm Strich heißt Resilienz lediglich, dass wir nach einer behobenen Störung auf die nächste warten. Soll das wirklich Widerstandsfähigkeit sein? Wir warten, bis das nächste Schiff den Suezkanal blockiert und hoffen, dass es nicht zu schnell passiert?
Die Pandemie hat uns nicht nur die Fragilität von Supply Chains vor Augen geführt, sie hat auch einen Begriff in unserer Sprache verankert: vor die Welle kommen. Genau darum geht es, wenn wir die Auswirkungen von Störungen lindern wollen. Die beste Störung ist die, die gar nicht erst auftritt.
Resilienz reicht nicht aus
Dafür müssen fragile Supply Chains antifragil werden, Resilienz, wie wir sie kennen, reicht nicht mehr aus. Das Prinzip der Antifragilität hat der Mathematiker und Autor Nassim Nicholas Taleb postuliert. Antifragilität ist laut Taleb die Fähigkeit, Unsicherheit, Störungen und Stress in positive Entwicklungen umzuwandeln und daraus zu lernen. Angewandt auf Supply Chains, stellt Antifragilität eine Chance dar, die Erkenntnisse aus vergangenen Störungen dafür zu nutzen, künftigen Zwischenfällen vorzubeugen. Supply Chains werden dadurch zu flexiblen, dynamischen Ökosystemen und verharren nicht als statische Gebilde mit starren Prozessen.
Wer weiß, wie verflochten und komplex weltweite Supply Chains sind, wird die Vorstellung einer antifragilen Supply Chain schnell als Science Fiction abtun. Dieser Pessimismus ist voreilig, denn schon heute stehen uns Technologien zur Verfügung, um diesem Idealzustand nahe zu kommen. Eine antifragile Supply Chain benötigt dazu drei Grundzutaten: Störungen (daran soll es nicht scheitern), Daten (die gibt es, sie nur müssen genutzt werden) und Transparenz zu den Vorgängen in der Supply Chain.
Mit Transparenz lässt sich der Ist-Zustand der Supply Chain feststellen. Wo sind Lieferungen, wann kommen sie an? Allein hier fallen jede Menge Daten an, zu Transportzeiten, ETAs, Verkehrsdaten, Wetter, bis hin zu Frachtraten, Liegegebühren und Treibstoffpreisen. Auch die immer wieder auftretenden Störungen liefern Daten.
Daten für automatisierte Prozesse und für den Praxiseinsatz
Diese Daten zu erfassen, zu vereinheitlichen und auszuwerten, kann ein Mensch nicht leisten. Dafür gibt es Plattformen, wie die Real-Time-Transportation-Visibility-Plattform von Shippeo. Diese sammelt und aggregiert Daten, die entlang der Supply Chain anfallen – auch bei Störungen. Eigene Algorithmen prognostizieren dann ETAs und geben Aufschluss über Kosten, CO₂-Ausstoß und weiteren Metriken.
Im nächsten Schritt lassen sich dann auf Grundlage der Daten Prozesse automatisieren, wie etwa das Auslösen von Alarmen bei Verspätungen oder das Umbuchen beziehungsweise Umleiten von Lieferungen. Neben automatisierten Abläufen gibt es auch Handlungsempfehlungen, für den Fall, dass sich eine Störung abzeichnet. Letztlich ist hier künstliche Intelligenz im Einsatz, die mit den Daten arbeitet. Algorithmen werten auch Erkenntnisse vergangener Störungen aus, um neue Empfehlungen abzugeben, um sie dann auf die automatisierten Prozesse anzuwenden.
KI nutzt also aktuelle und historische Daten, um Supply Chains flexibler, effizienter und weniger störanfällig zu gestalten und zu betreiben. Der Erfolg dieser KI-Anwendungen steht und fällt mit der Qualität der verwendeten Daten. In ihrer rohen Fassung könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Was hat eine Wetterprognose mit Straßensperrungen oder mit Containerpreisen gemeinsam? Diese unterschiedlichen Informationen in verschiedenen Formaten durchgehend und einheitlich zu nutzen, Daten zu Verzögerungen und Ausfällen aufgrund von Störungen einzubeziehen und praxistaugliche Handlungsempfehlungen abzugeben sowie automatisierte Prozesse immer wieder ohne weiteres menschliches Zutun anzupassen, ist der große Mehrwert, den eine Visibility-Plattform globalen Supply Chains bietet. Unternehmen, die auf fortschrittliche datenbasierte Technologie und Transparenz setzen, haben die Chance, dem von Nassim Taleb formulierten Zustand der Antifragilität zumindest sehr nahe zu kommen. Ihre Supply Chains funktionieren, weil sie sich immer wieder von selbst anpassen, neu lernen und aufgrund dieser Erkenntnisse exakte und praxistaugliche Prognosen und Empfehlungen abgeben. Sie surfen vor der Welle.